Artikel in der MAZ von Anja Meyer
MAZ macht mit: Kräuterwanderung
– Lieber ein Spaziergang statt Supermarkt
Brennnessel-Würze, Spitzwegerich-Pesto oder Malventee: Man muss nicht alle Lebensmittel im Supermarkt kaufen. Auch im Park um die Ecke finden sich viele wilde Kräuter, die zum Verzehr, als Kosmetik oder Medikament brauchbar sind. Man muss sie nur erkennen. MAZ-Reporterin Anja Meyer hat sich das von Kräuterpädagogin Elke Petersdorf zeigen lassen.
Kräuterexpertin Elke Petersdorf (l.) zeigt MAZ-Reporterin Anja Meyer, welche wild wachsenden Pflanzen essbar sind.
Blankenfelde-Mahlow. Idyllisch liegt der kleine Schotterweg am Eingang der Diedersdorfer Heide in Blankenfelde vor uns: Es ist ein schöner Septembersonntag, die Sonne scheint, die Bäume tragen so langsam ihr Herbstkleid. Am Horizont das weite Grün – hin und wieder durchkreuzt ein Flugzeug die Ruhe. Normalerweise würde ich mich bei so einem Sonntagsspaziergang in der Natur jetzt einfach treiben lassen. Und nicht viel mitbekommen von dem, was da zu meinen Füßen wächst.
Elke Petersdorf (l.) und Anja Meyer ziehen los in die Natur.
Heute ist das anders. Ich treffe mich dort mit Elke Petersdorf, ihres Zeichens Kräuterpädagogin. Elke Petersdorf weiß, welche Kräuter und Gräser wild in der Natur wachsen und an welchen man sich einfach so bedienen kann. Und vor allem auch, wie man sie dann zubereitet – ob als Tee, zum Kochen, zur Hautpflege oder als natürliches Medikament. Um all dies zu lernen oder zumindest einen Einblick zu bekommen, bietet Elke Petersdorf in unregelmäßigen Abständen geführte Kräuterwanderungen in der Region Dahmeland-Fläming an. Heute zeigt sie mir, wie leicht es ist, einen Teil der täglichen Nahrung gleich vor der eigenen Haustür zu finden. Festes Schuhwerk, offene Augen, feine Nase und eine empfindsame Zunge werden meine Werkzeuge sein.
Weißdorn reguliert den Blutdruck.
Kräuterwanderungen liegen im Trend. In Zeiten von bewusster und gesunder Ernährung möchten die Menschen erfahren, wie sie sich am gesündesten und am besten noch entschlackend ernähren können. Wie Elke Petersdorf mir erklärt, melden sich vor allem Städter bei ihr an. Eigentlich seien alle Altersklassen dabei, einen kleinen Schwerpunkt erkennt sie jedoch in jüngster Zeit: „Viele sind um die 30 Jahre alt und springen auf den Zug des gesunden, hippen Lifestyles auf“, erzählt Elke Petersdorf.
Sie kommen zu ihr, weil sie wissen wollen, wie sie sich die Zutaten für ihre grünen Smoothies in der Natur suchen können. Zu dieser Gruppe könnte ich jetzt auch zählen. Dem Detox-Trend kann ich allerdings wenig abgewinnen, ein bisschen gesünder dürfte meine alltägliche Ernährung aber gern sein. Umso besser, wenn das ganz unkompliziert mit Pflanzen aus meiner Umgebung funktioniert.
Mit der Lupe lassen sich die Kräuter besser bestimmen.
Kaum sind wir ein paar Meter gelaufen, finden wir auch schon die erste Pflanze, die Elke Petersdorf als sehr gesund bezeichnet: Die Brennnessel. Ich bin ganz beruhigt, Brennnesseln erkenne selbst ich noch – spätestens am Brennen auf der Haut. Ansonsten ist es leider nicht weit her mit meiner Pflanzenkunde. Zu meiner Schande. Ich sollte es besser wissen, bin ich doch auf dem Land aufgewachsen.
Aber Pflanzen haben mich als Kind leider nie so richtig interessiert, da habe ich heute einiges nachzuholen. „Hier, probieren Sie mal“, sagt Elke Petersdorf und legt mir ein paar Brennnesselsamen in die Hand. Mhm. Ich bin überrascht. Schmeckt würzig und wirklich lecker. Elke Petersdorf empfiehlt mir, Brennnesseln einfach mit in den Joghurt oder Salat zu geben. „Brennnesselteekuren im Frühjahr und im Herbst reinigen den Körper.“
Riechen hilft beim Bestimmen der Naturfrüchte.
So weit, so gut. Brennnesseln funktionieren. Ansonsten sehe ich viele verschiedene Pflanzen vor uns wachsen. Und habe keine Ahnung, was das eigentlich ist. Plötzlich beschleicht mich eine Angst. Was ist mit Verwechslungen? „Kann ich mich auch mit etwas vergiften?“, frage ich. „Ja, aber die Menge macht’s.“
Die größte Gefahr gehe vom Schierling aus. Eine giftige Pflanzenart aus der Familie der Doldenblütler. Sein Verzehr führt erst zur Lähmung und dann zum Tod. Deshalb sollte man andere Doldenblütler wie Möhrenkraut unbedingt mit der Lupe bestimmen, intensiv daran riechen und bei Unsicherheit lieber stehen lassen. Ich fühle mich unwohl. Wie soll ich mir als absoluter Dilettant sicher sein, dass ich da nichts verwechsle? Elke Petersdorf beruhigt mich. Es gibt einige Wildkräuter, die klar zu bestimmen sind. Da ist schon wieder eines vor uns: Wilde Malven. Die seien wegen ihrer spezifischen Blattform gar nicht zu verwechseln. Malven helfen bei Erkältungen, da sie schleimen. Als Kaltauszug im Tee sind sie am besten einzunehmen.
Schafgarbe erkennt man an seiner Augenbrauen-Form. Sie wurde früher Soldatenkraut genannt, weil sie Blutungen stoppt.
Wir gehen weiter und treffen auf Spitzwegerich. Den sollte man noch erkennen, ich habe es natürlich nicht allein geschafft. Was man mit dem Spitzwegerich machen kann, lässt mich aber aufhorchen. „Ich mache mir daraus gerne mal ein Pesto“, sagt Elke Petersdorf. Das ist gesund, lecker und regt die Selbstheilungskräfte des Körpers an. Pesto esse ich auch gern. Ich präge mir die Form ein, zur Not schaue ich noch mal in ein Bestimmungsbuch. So ein frisches Spitzwegerich-Pesto will ich auch mal probieren. Aber um mir das alles hier zu merken, müsste ich wohl noch fünf Kräuterwanderungen mitmachen.
Die Ausbeute des Tages mit Hopfen und Beifuß.
„Sie leben ja sicher sehr gesund“, sage ich zu Elke Petersdorf. Eine Frage, die sie oftmals von ihren Kursteilnehmern gehört hat. Natürlich sei es gesundheitsbewusst, ein paar frische Kräuter in die Ernährung einzubauen – sie habe aber noch andere Laster, die nicht so zur ultragesunden Lebensweise passen. Elke Petersdorf mag es sowieso nicht, wenn man das Ganze so verbissen sieht. „Die Mischung macht’s“, sagt sie.
Zu den Kräutern hat sie damals, als sie vor vier Jahren in die Ausbildung zur Kräuterpädagogin ging, etwas ganz anderes gebracht: „Wir wissen alle nicht, wie viel Rente uns später noch bleibt“, sagt sie. Da wollte sie für eine Alternative sorgen, mit der sie sich selbst versorgen kann. „Wenn es einmal hart auf hart kommen sollte, weiß ich, wo ich hingehen kann.“ Inzwischen stellt Elke Petersdorf sich sogar ihre Hausapotheke und Cremes eigenhändig aus wilden Kräutern her.
Der Gedanke ist mir noch gar nicht gekommen – aber er gefällt mir. Ich weiß, dass ich viel zu abhängig vom Supermarkt bin. Und dass ich ohne wohl ziemlich hilflos wäre, obwohl es auch in unseren Breitengraden und innerhalb von Städten andere Möglichkeiten gibt.
Pfaffenhütchen
Oh, apropos Stadt, da fällt mir noch eine wichtige Frage ein: Ob die Kräuter nicht verschmutzt sind, wenn sie in der Nähe von Straßen wachsen? Elke Petersdorf lacht. Noch so eine typische Frage von Unerfahrenen. „Alles, was zehn Meter vom Straßenrand entfernt wächst, ist genauso verseucht wie die Lebensmittel aus dem Supermarkt“, sagt sie. Der Spargel wachse zum Teil ja genauso nah an Straßen.
Von Anja Meyer